Jackson Pollock war ein ungestümer Visionär, der die Malerei der Nachkriegszeit vollkommen neu definierte. Geboren wurde er am 28. Januar 1912 in Cody, im US-Bundesstaat Wyoming, wo die Weite der Landschaft und der Geist des amerikanischen Westens bereits früh seine rebellische Ader entfachten. Trotz einiger Umzüge in jungen Jahren und einer Schulzeit mit Schwerpunkt Kunst war Pollock zunächst auf der Suche nach seinem ganz eigenen kreativen Weg. Prägende Stationen waren sein Studium an der Art Students League in New York unter Thomas Hart Benton und die Mitarbeit am Federal Art Project der WPA, mit denen er solide Grundlagen gewann, gleichzeitig jedoch das Gefühl behielt, dass seine eigentliche Malerei noch unentdeckt in ihm schlummerte.

Die entscheidenden Impulse kamen durch die Auseinandersetzung mit dem Surrealismus, den Werken Pablo Picassos und auch den großformatigen Wandbildern der mexikanischen Muralisten. Schon Ende der 1930er-Jahre experimentierte Pollock mit expressiven Formen, in die er indianische und totemistische Anleihen einfließen ließ. Er glaubte fest daran, dass der künstlerische Ausdruck aus dem Unbewussten gespeist werde, und fand in der Mythen- und Symbolwelt indigener Kulturen ein Reservoir archaischer Zeichen, die er als Wegweiser zu seiner eigenen Bildsprache nutzte. Zugleich entwickelte er im Austausch mit anderen Vertretern der „New Yorker Schule“ eine kompromisslose Ausrichtung auf neue Ausdrucksformen. Dabei stand ihm die Galeristin Peggy Guggenheim zur Seite und verschaffte ihm als Sammlerin und Förderin die nötige Aufmerksamkeit in der Kunstwelt.

Den größten Umbruch erlebte Pollocks Schaffen, als er mit seinem unverwechselbaren Action Painting hervortrat: Statt die Leinwand konventionell auf einer Staffelei zu bemalen, legte er sie auf den Boden und ließ Farbe in feinen oder energischen Strömen darauf tropfen. Er benutzte Stöcke, Pinselstiele oder Löcher in Farbdosen, um Flüssigkeit zu verteilen, was die berühmten „Drip Paintings“ entstehen ließ. Diese wilden, verschlungenen Muster – scheinbar chaotisch, tatsächlich aber hochkomplex und in ihren Rhythmen durchdacht – machten ihn zu einem Star der modernen Kunst. Die amerikanische Öffentlichkeit sah in seinen Leinwänden ein Symbol für Freiheit und Unabhängigkeit, eine Malerei, die nahezu alles Gegenständliche hinter sich ließ. Der Spitzname „Jack the Dripper“ wurde ihm verliehen, um genau jene radikale Hingabe an das freie Fließen der Farbe zu beschreiben.

Pollocks Karriere stieg Mitte der 1940er-Jahre rapide an und er wurde zum Vorzeige-Künstler des neuen, selbstbewussten Amerika. Doch trotz dieses Erfolgs schwankte er im Privatleben oft zwischen Schaffenskraft und inneren Krisen. Sein Alkoholismus und psychische Belastungen führten zu Schaffenspausen, die ihn immer wieder an den Rand der Selbstaufgabe brachten. Seine Frau, die Malerin Lee Krasner, unterstützte ihn und arbeitete oft Seite an Seite mit ihm in ihrem gemeinsamen Studio in Springs, East Hampton. Dennoch blieb Pollock ein Getriebener, der in einem ständigen Balanceakt zwischen schöpferischer Ekstase und persönlichen Zweifeln lebte. Symbolisch dafür stehen seine Werke aus den frühen 1950er-Jahren, in denen kräftige Schwarz-Weiß-Linien die Leinwand durchziehen und seine verbrauchte Energie in dramatischer Form widerspiegeln.

Am 11. August 1956 endete sein Leben abrupt bei einem tragischen Autounfall, den er unter Alkoholeinfluss verursachte. Pollock war zu diesem Zeitpunkt erst 44 Jahre alt, doch sein Einfluss auf die Malerei wirkte weit über seinen frühen Tod hinaus. Zahlreiche Künstler sahen in seinem Action Painting den Aufbruch in eine grundlegend neue Ausrichtung der Kunst, in der der Malprozess selbst zum Ereignis wird. Seine Werke, oft großformatig und voller wilder Dynamik, gehören inzwischen zu den hochgehandelten Kunstobjekten der Welt. In ihnen lebt das Vermächtnis eines Mannes fort, der dem Ringen zwischen ungezügeltem Ausdruck und zarter Sensibilität Form gab und damit das Gesicht der modernen amerikanischen Kunst unwiderruflich veränderte.